Heiko Jacobs' Seiten zum Thema:
U-Strab / Stadtbahntunnel / Kombilösung Karlsruhe
-- Argumente 2009 für/gegen die Kombilösung: Mobilitätseingeschränkte --
Argumente 2009 für/gegen die Kombilösung
– Die Kombilösung ist nachteilig für Mobilitätseingeschränkte
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Mal angenommen, Sie wären sehbehindert oder gar blind.
Mit dem Stadtbahntunnel müssten sie nicht mehr auf Bahnen achten.
Klingt zunächst gut.
Aber auf jede Menge Treppen und Rolltreppen müssen Sie nun achten,
die vorher nicht da waren.
Autos und Radfahrer werden in der Kaiserstraße auch nicht weniger dadurch.
Und Auslagen von Geschäften passen dann auch mehr auf die Straße.
Ob es also wirklich ein guter Tausch ist ...
Knifflig wird es aber, wenn man die Bahn sehgeschädigt nutzen möchte.
Bisher ist die Bahn einfach zu erreichen, sie fährt auf der gleichen Ebene,
auf der man selbst unterwegs ist.
Notfalls an der Schiene orientieren und den nächsten Bordstein suchen,
Haltestelle gefunden.
Die Treppen der U-Strab sind weniger präsent und diese Stecknadel im
Heuhaufen will erstmal gefunden werden.
Danach erst den Weg durch die Zwischenebene zur nächsten Treppe zum
Bahnsteig finden.
Die Orientierung wird nicht gerade einfacher ...
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Das Problem mit der Orientierung trifft aber nicht nur Sehgeschädigte,
sondern viele mehr:
Für Geistig Behinderte wird der Zugang auch deutlich komplexer.
Man sieht keine Bahnen mehr fahren und muss abstrahieren, dass die
nun irgendwo im Tunnel versteckt fährt.
Ausländer und Analphabeten, die mit unserer Sprache Probleme haben,
finden evtl. nicht den richtigen ausgeschilderten Weg zum passenden
Bahnsteig.
Für Leute mit psychischen Problemen wie Phobien kann der Aufenthalt
im Untergrund unmöglich sein.
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Rollstuhlfahrern wird versprochen, dass mit dem Stadtbahntunnel alles
besser wird.
Und Rollis sind am stärksten von der Barrierewirkung bspw. der Bahnsteige
oder des unebenen Gleisbereichs betroffen.
In der Tat sieht es zunächst so aus, weil es oben kaum rollstuhlgerechte
Bahnsteige gibt. Das hätte man schon längst bauen können, das ist
eigentlich beschämend, dass sich dafür noch kein Finanzier fand,
aber es sit kein Grund, eine (halbe) Millarde zu verbuddeln ...
Die Haltestelle Herrenstraße zeigt, dass es auch anders möglich wäre.
Zugegeben: Man wird oberirdisch in der Innenstadt keine Lösung für
BEIDE genutzten Fahrzeughöhen anbieten können (34-cm-Bahnsteige für die
Niederflurer auf künftig fast allen Linien (eines Tages auch auf S1/S11)
und 55-cm-Bahnsteige für die Zweisystem-Linien S4 und S5 etc.),
man würde an geeigneten Haltestellen umsteigen
müssen von Zweisystem-Linien auf Niederflur-Linien. Im Tunnel baut man
beides für viel Geld, deswegen sind die Haltestellen 100 m lang statt
nur 80 m, was bei nur einer Höhe reichen würde:
80 m werden einen 34 cm hohen Bahnsteig haben,
15 m werden einen 55 cm hohen Bahnsteig haben,
5 m Rampe dazwischen (mit der Gefahr, dass der Kinderwagen wegrollt...).
Aber dies klingt nur gut, denn es ist ein halbherziger Ansatz:
Niederflurer haben nur an den ersten beiden Türen rollstuhlgeeignete Plätze,
ein Einzelwagen bräuchte nur 15 m passenden Bahnsteig, wie man es an der
Herrenstraße zuerst gebaut hat (zugegeben: es wird auch bei Niederflur immer mehr
Doppelbahnen geben, spätestens wenn die S1/S11 mal neue Bahnen bekommt).
Bei den Zweisystem-Mittelflurer (die für Zweirichtungsbetrieb konzipiert
sind) kommt man über jede Tür zu einem Rollstuhlplatz. Da sie sehr oft als
Doppelzug fahren, bräuchte man eigentlich volle 80 m Länge.
Also bräuchte man es eigentlich eher umgekehrt: 80 m 55 cm, 15 m 34 cm.
Geht aber nicht nach § 31 (8)
in der BOStrab ...
Oder 160 m lange Haltestellen, zu teuer
Oder breitere, aber kürzere Haltestellen mit Mittelbahnsteig,
schlug ich vor, hätte nebenbei einige bauliche
Probleme elegant gelöst, ginge nur in der Lammstraße nicht.
Vorschlag ist aber ungehört verhallt ...
Warum ist das überhaupt ein Problem?
Nun, wenn man unterwegs einsteigt, hat man volle 80 m Bahnsteig,
man kann als Rolli überall einsteigen. Und stellt dann in der Innenstadt
erst fest, dass man da nicht mehr rauskommt, weil nur 15 m verfügbar sind
mit passender Höhe ...
Vorne einsteigen hilft nicht immer, denn Regional-Linien werden unterwegs
gerne mal durch einen zweiten Wagen verstärkt, dann sitzt man evtl.
unbeabsichtigt hinten.
Oder man steigt in Bad Wildbad vorne ein und kommt in Karlsruhe
hinten sitzend an, weil die Bahn in Pforzheim die Fahrtrichtung
wechselt (noch ist Pforzheim nicht rollstuhlgerecht, man hätte derzeit
nur mit durchgehenden Bahnen eine Chance).
Und einen schweren E-Rolli hebt man nicht so einfach über die Stufe ...
Solange noch Hochflurbahnen gemischt mit Mittelflurbahnen auf
Zweisystemlinien unterwegs sind, ergibt sich das Problem, das spätestens
auf dem Rückweg der Mittelflurer am hinteren Ende fährt und vorne am
passenden Bahnsteig nur der Hochflurer, in den man nicht reinkommt.
Ein ähnliches Problem kann sich mit Wagen mit Toilette ergeben, da an dem
Ende der Rollstuhlplatz fehlt ...
Halbe Sache eben nur ...
Gut gemeint, aber nicht gut gemacht ...
Und ob die City ohne Bahnen für Rollis wirklich besser nutzbar wäre,
ist auch noch offen, schließlich will man den frei werdenden Platz
für Cafés etc. nutzen: neue Hindernisse also!
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Auf dem Papier, aber nur dort, der große Vorteil für Rollstuhlfahrer.
Haken an der Sache: Während er oberirdisch kaum abhängig vom Funktionieren
der Technik ist (lediglich die ausfahrbare Trittstufe könnte ausfallen,
dafür findet sich notfalls irgendwas zum drüber legen), ist man beim
Tunnel vom Funktionieren des einzigen Aufzug des Bahnsteigs abhängig.
Ein Aufzug im öffentlichen Raum fällt schon mal aus und dann steht man da
und kommt nicht aus der Haltestelle raus ...
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Und man vergisst, dass es nicht nur Rollstuhlfahrer als "Gehbehinderte" gibt:
Senioren mit Rollator
Senioren ohne Rollator, aber schwach auf den Beinen
Mutter/Vater mit dem Kinderwagen
Der Radler mit dem Plattfuß am Rad
Das Skihaserl mit dem Gips und der Krücke
Der Urlauber mit 2 schweren Koffern
...
Es gibt viele Gründe, warum man ständig oder auch nur fallweise schlecht zu
Fuß sein kann. Nicht für jeden ist die Rolltreppe die richtige Lösung.
Und alle stauen sich vor dem einzigen Aufzug.
... und haben sowieso mit allem Gepäck und rollenden Utensilien einen
viel längeren Weg zur Bahn.
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Zudem ist die Bauphase für viele Gehbehinderte und anderweitig
Mobilitätseingeschränkte deutlich beschwerlicher als für "Normale",
für Blinde sogar eine ziemliche Katastrophe...
Die City wird für einige auf Jahre nahezu unpassierbar sein.
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Im Störungsfalle hat man als Mobilitätseingeschränkter evtl. noch
mehr Probleme, tödliche unter Umständen, dazu mehr im nächsten Punkt.